Herausgeber und Freunde der Literaturzeitschrift TORSO trauern tief um

Ihren Mitherausgeber



Dr. Eike - Wolfgang Kornhass

27. Mai 1940 - 26. Juni 2011
den streitbaren Weggefährten und Freund


Alexej Moir
Hermann Wenzel
Ulrich Schäfer-Newiger
Wolf Breiden

Hans Boeters
Helmuth Fiedler
Anica Glavas
Clemens Kunert
Andreas Karpen
Barbara Meisenbach-Juhl
Mark Tanner
Arved Vogel


München, im Juli 2011

Zum Tod von Eike Wolfgang Kornhass

Schwabinger Weltgeist mit Fahrrad

Er war bereits Mitherausgeber des TORSO als ich ihn kennenlernte. Und da war seine Sicht der Welt lange festgelegt, er duldete mit herrlich-herrischem Gestus eines alles begründen könnenden Schwabinger Weltgeistes kaum einen Widerspruch. Vor allem bei der Malerei und natürlich auch der Literatur und der Sprache gab es kein Pardon. Horst Janssen (von dem er selbstverständlich etwas an der Wand hängen hatte) war der genialste Zeichner, basta. Dass beide Seelenverwandte waren, habe ich erst viel später begriffen. Er war beim gemeinsamen Kennenlernen schon gereift, ich nicht. Milde war er für die, die ihn nicht richtig kannten, auch nicht.

Aber mit seiner Selbstgewissheit, seiner natürlich-selbstverständlichen Selbstsicherheit, seiner Unbedingtheit, seiner Streithaftigkeit, seiner Bedenkenlosigkeit, seiner Lust und auch mit seiner mir immer unbegreiflich gebliebenen besonderen Art der Selbstzucht, hat er wesentlich zu dem beigetragen, was der TORSO wurde und ist. Alles an und in ihm war Ausdruck seiner ungeheuren Lebendigkeit, auf die sich einzulassen unbedingt wichtig war, sonst kam man ihm nicht nahe. Und da gehörte vor allem dazu seine unnachahmliche Sprach- und Sprechlust. Hegels Ästhetik auf Schwäbisch deklamieren: Das konnte wirklich nur er.

In München kam er zu unseren Treffen ausschließlich mit dem Fahrrad (auch wenn er die Isar überqueren musste, was ihm als Schwabinger immer ein Angang war), bei jedem Wetter, immer bestens gekleidet, feines Tuch, ein Stilist im Äußeren wie im Inneren, im Denken und in der Sprache sowieso. Seine Beiträge im Torso bezeugen diesen, kein Wenn und Aber duldenden unbedingten Stilisten. Als Beispiele sollen hier nur einige wenige erwähnt sein: "Oma, Mutter, Bub" (TORSO 8), seine "Notizen zur polnischen Literatur der Gegenwart (TORSO 11 - Er hatte diesen Schwerpunkt - nicht nur diesen - organisiert) oder: "Das Ich an sich" (TORSO 13), "Ursiade" (TORSO 15), und ganz wunderbar: "Ranitäten" (TORSO 17). TORSO war ihm eine Herzensangelegenheit im Sinne des Wortes. Er hat mit seiner schon fast ungeheuren Lebendigkeit die Geschicke des TORSO mit bestimmt, vorangetrieben und mit gestaltet. TORSO Nr. 18 war im gewissen Sinne sogar "sein" TORSO, das damalige Wettbewerbsthema "Krankheit" war seine Idee, weil er da schon von seiner Krankheit wusste und mit diesem Wissen auf seine Art lebte. Sein betroffen machender Beitrag "Arkadien ist nirgendwo" ist - damals wollte von uns anderen das keiner wahrhaben - eines seiner Vermächtnisse. Das diesjährige Wettbewerbsthema, nämlich "LUST" war natürlich - dieses Wort ist hier wirklich treffend - seine Idee und ist auch ein Vermächtnis.

Lust war immer. Unbedingt. Auch Streitlust und zwar laute. Wir werden sie sehr vermissen und nicht nur sie. Er hat noch im April für den kommenden TORSO 20 die Grafiken von Anica Glavas mit ausgesucht. Noch in der Woche vor seinem Tod hat er sich erkundigt nach dem Stand der Dinge und welche Entscheidungen anstanden. Das war ihm immer wichtig: Dass es voranging und Entscheidungen getroffen wurden. Er fehlt und wird immer fehlen; der Wissens- und Gedankenaustausch, die fruchtbaren Gefühlsausbrüche, sein kreatives Drängen, seine Fabulier- und Sprachkunst, seine Ideen fordern uns nicht mehr, sind nicht mehr. Ein Verlust, der tief betroffen macht und tief traurig.

In dieser Situation ist sein größtes Vermächtnis: Lebendig bleiben, nicht nachlassen und Lust haben wie er am Weitermachen mit dieser Sprach- und Schreibherzensangelegenheit, die TORSO heißt.

usn