Lyrik Leseproben

CLEMENS KUHNERT

lenin im bilde

gewaltig umfängt mich die plötzliche stille

im bauche des wals. in diesem hier liegen

die sachen befreit von begehren und spiegeln

den frühling freundlich und flach. sie sollen

nur sein was sie scheinen. ich treffe marie

wie jeden werktag beim weg zur fabrik

am ufer der strasse. die linien der fahrbahn

richten im lärm der zweitaktmotoren

die zeilen der wohnblocks über den bäumen

zum himmel gewuchtet. die kurven maries

sortieren zur frühlingssonne die blüten

im roten kunststoff zur geometrie

des kühlen morgens. ein hauch von trübnis

nimmt den haaren zum helm gefestigt

die modische strenge. beim anblick lenins

strafft sich ihr rücken. er schreitet so riesig

als hebe ein chor ihn heroisch umweht

vom schwarzen mantel. doch dachte lenin

an sex mit marie? ­ vor seiner klarheit

beug ich den nacken. die freundinnen tragen

die gleichen sandalen, nur ist es marie

allein der sie passen. ein spärlicher rasen

flutet den teerweg mit sand. es wartet

die katze am werktor. jahrtausendelang

prüft mich ihr blick. hier nehme ich ausgang.


zu Torso