HERMANN WENZEL


Weitere Beiträge zur "ENTZIFFERUNG DES DISKOS VON PHAISTOS" finden sich in den TORSO-Ausgaben 3, 4, 5, 6, 7, 13.
Der vorliegende Beitrag stammt aus TORSO 7.
Der Beitrag "Graphische Botschaften des Diskos von Phaistos - Schlüssel der Entzifferung"aus TORSO 13 kann durch einen Klick auf den Titel erreicht werden.
 

Als Bibliothekspublikationen (Staatsbibliothek München und Universitätsbibliothek Konstanz) sind unter dem Sammelbegriff
 Die Architektur des Labyrinths  
folgende Bände erschienen
I. Kosmos im Chaos / Strukturanalyse des Diskos von Phaistos (148 S.)
II. Faden der Ariadne / Entzifferung des Diskos von Phaistos (228 S.)
III. Sternbilder des Minos / Astronomie der Minoer im Diskos von Phaistos (486 S.).


Die Entzifferung des Diskos von Phaistos

Diskos Seite B Diskos Seite A
Seite B Seite A

Fig. 1 Der Diskos von Phaistos

Der Wettlauf um die Entzifferung des berühmten Diskos von Phaistos ist entschieden. Noch muß ich wie ein einsamer Hungerkünstler den Rekord anmelden, das Ergebnis glaubhaft machen. Noch sind die Zielrichter der Qualifikation - Archäologen, Astronomen, Informatiker und Religionsgeschichtler - nicht gefunden. Die Kriterien hingegen sind eindeutig. Entziffern heißt: Wörter, Silben, Buchstaben oder in diesem Fall eben Ziffern, Zahlen lesbar und deutbar machen. Die Entdeckung des 291/2jährigen Sonnenumlaufs des Planeten Saturn in den Hieroglyphen des Diskos, die harmonische Einrichtung dieses Zyklus im Kontext mit dem gesamten Planetarium der Frühzeit kann nicht vorgetäuscht werden. Die kulturgeschichtliche Sensation aber ist, daß um 1700 vor Chr. den Priesterastronomen im Palast von Phaistos Kenntnisse zur Verfügung stehen, die von den Babyloniern erst 1200 Jahre später zur Perserzeit (525 - 504 v. Chr.) überliefert sind. Bezüglich des babylonischen Kompendiums der Himmelskunde MUL APIN um 700 v. Chr. schreibt van der Waerden, einer der besten Kenner der Materie: "...und von den Planeten wusste man nicht viel."

Drei Fenster der Vorbereitung

In TORSO 3,4 und 5 wurden grundlegende Strukturen des Diskos beschrieben. Es ging um die Steuerungsgröße 11, die Gliederung in drei Zeichengeschlechter (GLS-System) und schließlich um eine Hierarchiediskussion über die zwingende Reihenfolge der 45 Charaktere. In TORSO 5 war das Prinzip der Entzifferung im Wesentlichen offengelegt.

Hier wagen wir nun einen Ausblick durch das letzte Fenster dieser Reihe auf die eigentliche Entzifferung und Deutung der Zeichen, Zeichengruppen und größeren unterscheidbaren Segmenten. Was anknüpfend an das bisher Entwickelte noch fehlt ist der konsequente Übergang von den verbindlichen Platznummern der Zeichencharaktere zu durchlaufenden Ordnungszahlen und schließlich zu rechnungsfähigen Kardinalzahlen.

In der umfangreichen Beweisführung der richtigen Zahlzuordnung, die einer Monographie vorbehalten bleiben muß, unterliegen die Charaktere einer abgleichenden Diskussion und der Erprobung im Experiment, so daß letztlich kein Zweifelsfall mehr verbleibt. Letztlich heißt, nachdem sich alle Charaktere sowohl in der paradigmatischen Ebene der Tabellen als auch in den originalen Spiralzeilen selbst sowie in verschieden Transformationen, durch gegenseitige Bezogenheit, Einklang und Übereinstimmung mit von außen herantretenden astronomischen Daten, die sich im Diskos wiederfinden, als richtig erwiesen haben.

Die Behandlung des 17mal auftretenden Dorns muß ausgespart bleiben. Sie würde den Rahmen dieser Abhandlung vollends sprengen, denn der Dorn verwandelt das gesamte System in ein anderes.

Entdeckung einer umfassend organisierten Elfervielfalt als generelle Ordnungsbasis:
  • im Zeicheninventar
  • in der Zeichenverteilung
  • in den Zeichengeschlechtern
Rekonstruktion von drei Zeichengeschlechtern:
  • Geist-Charaktere (G)
  • Leib-Charaktere (L)
  • Sach-Charaktere (S)
Rekonstruktion des einzigen zerstörten Zeichens durch die Elfervielfalt
 
Entdeckung von Nomenklatur und Rangfolge der Charaktere:
  • Einseitiges Auftreten rangiert vor beidseitigem Auftreten
  • Seite B hat Vorrang vor Seite A
  • Kleinere Mengen rangieren vor größeren
  • Bei Gleichheit der Mengen rangiert das frühere Erscheinen vor dem späteren Erscheinen
  • Die Ordnungszahlen der Charaktere erweisen sich als Kardinalzahlen
  • Dimenension der Zahl ist die Zeit; Einheit der Zeit ist der Tag
Das Auffinden astronomischer Daten bestätigt die Richtigkeit der Entzifferung:
  • Auftreten der sieben siderischen und der sieben synodischen Planetenperioden
  • Angabe großer Planetenjahre
  • Aufstellung von Periodenrelationen
  • Einrichtung diverser Finsternisperioden, z.B. Sarosrelation

Fig. 1: Prozedere und Ergebnis der Entzifferung

Die Hieroglyphen des Diskos von Phaistos zählen Tage

Wir blicken auf ein Ergebnis, das den zahlenfeindlich gesonnenen Intellektuellen unserer Zeit wenig erfreuen wird. Die ersten Europäer - den minoischen Kretern gebührt dieses Pädikat vor allem - waren kopfbetonter als es ein Denken von der zunehmenden Verschiebung humaner Gewichtungen zu Ungunsten des Bauches wahrhaben möchte. Denn die 242 Zeichen des Diskos entpuppten und erwiesen sich schließlich als Zahlen. Zahlen einer zugeordneten Zahlenstrecke von 1 bis 45. (Tab. 1)

 

Ein Trost bleibt jedoch, es sind keine abstrakten Allerweltszahlen, sondern Zahlen mit festgelegter Dimension. Es geht um die "Zeit". Es geht um eine Fixierung von Zeitabläufen mittels Zahlen, deren Einheit der Tag ist.

Tabelle 1: Die Reihenfolge der Charaktere mit Bezeichnungen und Tageszahlen

Für uns ist das die Uhr und der Kalender. Von den großen kosmischen Zeitzeigern ist uns Heutigen fast nur noch die Sonne übriggeblieben. Kaum einer orientiert sich an den Phasen des Mondes, geschweige denn an den irrwitzigen Schleifen der Planeten. Das Wissen um die Ordnung dieser zölestischen Phänomene, von denen einst wesentlich Wissenschaft ausging, gelangte niemals bis in die Ebene allgemeiner Bildung. Es blieb Spezialisten, von den Priesterastronomen der Frühzeit bis zu den Raumforschern der Gegenwart vorbehalten. Und so beginnt der Einstieg des interessierten Laien in die Dimensionen des Diskos von Phaistos mit dem Schwellenproblem fehlender Grundkenntnissse der Astronomie. Wir werden unseren Ausblick in die Tiefen und Weiten minoischer Zeitvorstellungen daher auf wenige Eckdaten beschränken, die sich mit einem einfachen Lexikon überprüfen lassen. Wer jedoch die hier erstmals als Vorabdruck vorgestellte Zeitstruktur des Diskos mit dem Computer durchmustern möchte, muß sich weiterreichende astronomische Kenntnisse aneignen, um Wesentliches, wiePeriodenrelationen,große JahreoderFinsternisperiodenzu erkennen, oder er geduldet sich bis zum Erscheinen der im Entstehen begriffenen Monographie.

Fig. 3: Seite A und Seite B
Umwandlung der Spiralzeilen in zwei Halbkreise. Anordnung der Abteilungen untereinander. Bildung eines Großkreises der Abteilungen (Häuser). Auf das Ende der Seite B (Rand der Originalform) folgt der Anfang der Seite A (Zentrum des Originals). Die Zahlen beziffern die Anzahl der durch die Häuser verkörperten "Tage".

Die Seiten / ein Buch

Mit gutem Grund kann ich sagen, der Diskos von Phaistos ist mehr als seine beiden Seiten. Er ist ein Buch. Das erste numerisch kodierte und dazu auch schon mit Lettern gedruckte Buch, dessen Seiten beliebig oft überschrieben werden konnten und wurden ohne daß, wie beim Palimpsest, die vorherige Botschaft beseitigt werden mußte. Und damit nicht genug lassen sich die beiden augenscheinlichen Seiten zu einer dritten, wiederum beliebig oft überschreibbaren Seite zusammenlegen: Man könnte denken, Europa betritt die Bühne der Geschichte mit einer Diskette in der Hand.

6001 Tage sind der Zeitraum, den der Diskos von Phaistos auf seinen beiden Seiten als ein Maß, ein Modul ewiger Wiederkehr angibt.

Dieser Zeitraum, der uns an Tausend und eine Nacht erinnert, stellt einen Rahmen dar, innerhalb dessen und über den hinaus durch Mehrfachnutzung astronomische Prozesse notiert sind. Wir befinden uns auf der dritten, aus den Oberflächen A und B zusammengesetzten Seite. In Fig. 3 wurden die Spiralzeilen der beiden Seiten abgewickelt, in zwei Halbkreise transformiert und so aneinandergefügt, daß an das Ende von Seite B der Anfang von Seite A anschließt und umgekehrt. Diese Anordnung ist eine der wichtigsten Metamorphosen des Diskos, ohne die eine überaus große Zahl astronomischer Notationen gar nicht gesehen werden kann. Insofern gehört es zum Wesen des Diskos, daß sich seine Oberflächen in diverse Anordnungen verwandeln und sich erst dadurch die umfassende Botschaft erschließt.

Analogien zu Ornamentik und Kultzeichen

Zueinander- oder gegeneinandergestellte Halbkreisformen mit Zellstruktur sind ein wesentliches Merkmal der minoischen Ornamentik. Sie wurden immer dort angebracht, wo etwas besonders Heiliges dargestellt werden sollte. Siehe Halbrosettenfries aus dem Neuen Palast von Knossos (Figur 4). Die Mittelzone des Ornamentmoduls zeigt mit drei Spiralformen möglicherweise den transformatorischen Bezug.

Fig. 4: Halbrosettenfries aus dem Palast von Knossos



Fig. 5: Doppelaxt auf einer minoischen Vase im Kontext mit Rosetten und Spiralen

Fig. 6: Doppelaxt von Zakro

Auch die Doppelaxt, (Fig. 5 und 6), der alles überragende Gegenstand des minoischen Kultes, gehört mit ihren doppelten, zuweilen gelochten "Schneiden" und merkwürdig schräg verlaufenden Bezugsbändern in diesen Kontext. Daß mit ihr keine Opfertiere geschlachtet wurden ist bekannt. Handelte es sich etwa um ein mit Haken und Ösen versehenes astronomisches Instrument, um ein Peilgerät oder eine Sternenschablone mit nur zufälliger Ähnlichkeit zur Doppelaxt? "Haus der Doppelaxt" heißt das Labyrinth. Seine ältesten Darstellungen sind Spiralformen. Eine Reihe von Umständen (Entstehungszeit, Fundort, Spiralform, Folge von Kammern, astronomischer Bezug) deuten darauf hin, daß der Diskos von Phaistos das seit der Antike gesuchte kretische Labyrinth sein könnte.


Wie der Diskos seine 6001 Tage halbiert

Fig. 7: Einzige homogene Halbierungsmöglichkeit der
Gesamtzeit bei abteilungsweiser Bündelung von Tagen.

Wir fragen nach einer Halbierung und erhalten ähnlich den hälftigen Teilungen des Zeicheninventars (TORSO 3) einmehrfachesAngebot den Gesamtzeitraum im Verhältnis von 3000 : 3001 Tagen zu zerlegen.

In Figur 7 geschieht dies durch homogenes Vorrücken von Abteilung zu Abteilung ab einer vorgegebenen Position. Es ist B23, die Abteilung mit der einzigen Doppelaxt. Linksdrehend erreichen wir mit der Addition von 31 Abteilungen in A24 den Zeitraum von 3000 Tagen. A24 ist die Abteilung mit dem vorsätzlich ausgewischten Zeichen, das alsWinkelformmit dem Zeitwert von 13 Tagen bestimmt werden konnte. Die zweite, um eine Einheit größere Hälfte, umfaßt 30 Abteilungen und 3001 Tage. Sie beginnt mit Abteilung A23 und endet, rückläufig zählend, mit B24.


Fig. 8: Halbierung durch rhythmischen Wechsel
von je 3 Abteilungen (Endgruppe 4 Abteilungen).

Figur 8 basiert auf einem Rhythmus, der fortlaufend drei Abteilungen erfaßt und drei überspringt. Da die Anzahl der 61 Abteilungen aber nicht durch drei teilbar ist, ergibt sich in der letzten, der zwanzigsten Gruppe eine Anomalie mit vier Abteilungen. Auf die ungeraden Gruppennummern entfallen 3000 Tage und auf die geraden 3001 Tage. Die Zeichenverteilung entspricht mit 119 : 123 Prägungen jener der Seiten B und A.


Fig. 9: Halbierung durch Erfassen von einer Dreiergruppe (3 Abt.) und Überspringen von je 2 Dreiergruppen (6 Abt.). Jede Schleife benötigt ca. 1 1/2 Drehungen ab B1,2,3 bzw. A1,2,3

Figur 9 unterscheidet sich von Figur 8 nur durch das Ablaufschema. Statt einer werden nun zwei Dreiergruppen von Abteilungen erfaßt und übersprungen. Dadurch werden für jeden Halbierungsvorgang etwa eineinhalb Drehungen am Abteilungskreis benötigt. "Ordentlich" beginnen die beiden Schleifen jeweils mit den ersten drei Abteilungen der Seiten und enden mit der 24. Abteilung der selben Seite.


Diese Halbierungen, mehr oder weniger imposant, dienen vielleicht der Beweisführung, eine erwartete inhaltliche Aussage haftet ihnen jedoch kaum an, es sei denn man wollte sich mit formalen, spielerischen Erscheinungen begnügen. Aber auch auf den folgenden, deutlich astronomischenSeitendes Diskos spielt die formale Harmonie eine ordnende, manchmal gar symbolische Rolle und dient der Orientierung.

Das Prinzip der Kennung

Der Diskos von Phaistos überliefertauf seinen beiden Seiten zwei Spiralzeilen mit deutlichen Enden, wobei es mehr oder weniger gleichgültig ist, was wir Anfang oder Ende nennen. Wichtig aber ist, daß es erkennbare Punkte, Markierungen, Eigenschaften, also Kennungen gibt, die ein Ereignis beginnen und enden lassen. Und so handelt es sich bei den Enden der beiden Spiralketten um wichtige Kennungen, mit welchen, wie auch immer die gesamte Zeichenfolge angeordnet oder umgewandelt wird, ein Großteil der als Zeitstrecken kenntlich angelegten Aussagen des Diskos beginnen oder abschließen. Dies ist der Fall bei den Halbierungsschleifen in Figuren 7 und 8.

Eine andere Kategorie von Kennungen sind die Tageszahlen der Abteilungen, der "Häuser". Für "Haus mit 108 Tagen" beispielsweise sagen wir kurz "Haus 108". Die Tagessummen der Abteilungen wurden von den Verfassern dieser minoischen Zahlenschrift sehr bewußt und stark variierend angelegt, damit sie als Kennungen fungieren konnten. Von den 61 Abteilungssummen sind 44 (!) verschieden.

Noch eine andere Art von Kennungen besteht in der Positionierung der Zeichen in den Häusern. Es kann von Bedeutung sein, ob ein Zeichen an erster, zweiter, dritter, etc. oder an letzter Stelle steht. So geben die 41 L-Charaktere an letzter Stelle der Abteilungen einen Zeitraum von 36 synodischen Monaten oder drei Monjahre zu je 354 1/3 Tagen an. Die übrigen L-Zeichen (Kennung: Summe der L-Zeichen ohne Endpositionen) verkörpern drei Jahre zu je 365 2/3 Tagen. Damit sind die sechs Lunisolarjahre, die durch die Gesamtsumme der L-Zeichen (6 mal 360 Tage) ausgedrückt werden, unter leicht zu merkenden Bedingungen in ihre Bestandteile zerlegt.


Die Sprache des Diskos von Phaistos

Es ist zu vermuten, daß sich um die Phänomene im Diskos ein verbaler Kontext rankte. Die Zeichen und ihre Summen mußten als Zahlworte gesprochen werden. Die Bedeutungen der Zahlworte waren zu benennen. Anweisungen zur Handhabung für die Form rhythmischer Folgen und für Kennungen waren zu formulieren. Zum Beispiel hätten die Kennungen für einen Zeitraum von sieben Jahren folgenden Text haben können:

Zähle auf der Seite der 12(Seite B mit dem Zeichen für 12 Tage im Zentrum) dieTage von der Mitte zum Rand oder vom Rand zur Mitte in 25 Häusern. Es werden 2555 Tage oder sieben Jahre vergehen.Die Sprache an sich war natürlich minoisch, aber sie konnte genauso gut griechisch sein oder jede beliebige Sprache. Da die Zeichen des Diskos als Zahlzeichen nun doch, entgegen allen Erwartungen, eine reine Bilderschrift darstellen, können sie in jeder Sprache gelesen werden.

 


Planet

siderische Perioden (Tage)

synodische Perioden (Tage)

 

genau

gerundet

genau

gerundet

1. Mond(-Jahr)

327,85

328

354,36

354

2. Merkur

87,96

88

115,88

116

3. Venus

224 70

225

583,92

584

4. Sonne

365,25

365

365,24

365

5. Mars

686,98

687

779,94

780

6. Jupiter

4332,58

4332

398,88

399

7.Saturn

10759,21

10759

378,09

378


Tabelle 2: Siderischer und synodische Planetenperioden


Die Minoer wußten: Jupiter dreht sich in knapp 12 Jahren um die Sonne


Fig. 10: Der siderische Zyklus des Jupiters beginnt auf Seite A in "Haus 108" und durchläuft rechtsdrehend 44 Häuser.

Im Großkreis der 61 Häuser des Diskos bildet sich die Umlaufzeit des Jupiters in durchlaufender Folge ab. Als weiterer Kennungen bedarf es der Benennung des Ausgangspunkts und der Ablaufrichtung. Auf jeder Seite des Diskos gibt es ein Haus mit 108 Tagen. Es sind die topographischen Kennungen für Jupiter und Saturn und anderer Daten. So ist Haus 108 in Seite B auch Beginn oder Endpunkt einer der oben angeführten Zeitspannen von 7 Jahren. Jupiter beginnt rechtsdrehend in "Haus 108" der Seite A, durchläuft in A noch 10 Abteilungen und erreicht nach einer Passage von insgesamt 44 Häusern mit 4332 Tagen seine Umlaufzeit um die Sonne im zweiten Haus 88 (A4). Es ist die siderische Periode des Planeten.

Mit Haus 108 beginnend werden zunächst in 30 Häusern 8 Mondjahre (8 mal 354 Tage) durchlaufen. Sodann folgen die fehlenden 1500 Tage in 14 Häusern bis zur Vollendung der 4332 Tage des Jupiterzyklus. Damit reißen wir eine andere Thematik an, die den Mond und einen ergänzenden Merkur betrifft: 6001 Tage minus 8 mal 354 Tage macht 36 mal 88 Tage + 1 Tag. Es ist der siderische Zyklus des Merkurs.

Der 29 1/2-jährige Zyklus des Saturns

Fig. 11: Die Schleife des Saturn
Rechtsdrehend werden von "Haus 108" in B bis "Haus 108" in A insgesamt 108 Häuser durchlaufen und 10759 Tage erreicht, der siderische Saturnzyklus.

Wie angekündigt nimmt auch Saturn mit dem längsten Zyklus der sieben Planeten zu 10759 Tagen (Fig. 11) Bezug auf die Häuser mit 108 Tagen und zwar gleich auf beide. Bleiben wir bei der Rechtsdrehung am Großkreis der Abteilungen, dann beginnt Staturn in Haus 108 der Seite B und endet nach 7/4 Drehungen in Haus 108 der Seite A. Es überrascht, daß die Anzahl der insgesamt durchlaufenen Häuser ebenfalls gleich 108 ist. Ob dies nur aus mnemotechnischen Gründen erfolgte, steht noch dahin.


Gliederung der Umlaufzeit des Saturns in Hälften und Siebtel

Fig. 12: Darstellung der Umlaufzeit des Saturns in der Häuserfolge des Diskos von Phaistos ab "Haus 108" auf Seite B.

Die Größe des Saturnzyklus (Figur 11) machte es den Priesterastronomen wohl schwer mit ihm umzugehen. Sie richteten daher eine sehr differenzierte Unterteilung mit alternativen Möglichkeiten ein. Zunächst wurden Hälften gebildet. Und weil 10759 Tage nicht genau halbierbar sind, unterscheiden sich die Hälften um einen Tag. Ab "Haus 108" auf Seite B stellen sich rechtsdrehend nach einem Durchgang von insgesamt 55 Häusern und 39 mal 11 Zeichen mit der vorletzten Abteilung von Seite A 5379 Tage ein. Es ist die kleinere Halbschleife des Saturns. Mit 53 Häusern und 5380 Tagen folgt die größere.

Im nächsten Schritt wurden diese Hälften einer weiteren Teilung unterworfen, die mit einer, durch obige Ungleichteilung bedingten Unschärfe von 2 bis 3 Tagen auf den Siebtel der Umlaufzeit basieren.

Neben dieser eher abstrakten Gliederung gibt es eine Unterteilung der halben Umlaufzeiten unter Verwendung einer Methode, die mit einer Ausnahme auf andere "Planetendaten", auf Merkur, Sonne, Jupiter und den synodischen Saturnzyklus zurückgreift. Die Ausnahme besteht darin, daß der letzte Teilabschnitt in der von uns gewählten Ablaufrichtung ein genaues Siebtel des siderischen Saturnzyklus von 1537 Tagen darstellt, wodurch der gesamte Zyklus im Verhältnis 6/7 : 1/7 geteilt ist.


Dem siderischen Saturnzyklus folgen 12 synodische Perioden

Fig. 13: Saturnzyklus

Indem bis Haus 72 auf Seite A 47 Häuser und 17 mal 11 Zeichen durchlaufen wurden, stellen sich nach etwa dreiviertel Drehung am Abteilungskreis 12 mal 378 Tage ein. Es sind 12 synodische Perioden des Saturns.

(In Figur 11 befindet sich der Eintrag eines weiteren siderischen Saturnzyklusses mit "Schnittstellen" zum ersten).

Die im Entstehen begriffene Monographie wird sich mit einigen noch komplexeren Phänomenen beschäftigen, die von den Priesterastronomen in dieser Kultscheibe niedergelegt wurden, mit der Gesamtdarstellung des minoischen Planetariums, mit Periodenrelationen und Finsternisperioden zur Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen.


 



HERMANN WENZEL

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