Nancy Hünger

Hast du dir überlegt was
(für und mit und nach C.D. Wright)


es heißt jede Scham öffentlich zu tauschen
gegen Brot gegen Armut gegen Rosen gegen
ein lausiges Alphabet es fehlen schon Staben
aber ich dinge mich aus und zahle immer bar
mit zehn Prozent Verzweiflung spare ich auf
die Zähne meiner Freunde wenn es sein muss
stopfe ich ihre Schulden mit Rosen und rette
ihre Kinder sollen später keine Gedichte werden
es besser haben als meine zahnlosen Freunde
die ihre Körper in Spiritus tränken ihre Sprache
um Feuer bitten wenn die Finsternisse wieder
ihre ungeschorenen Köpfe umkreischen noch
ist das Messer aus Holz und der Tod ein Zitat
am Ende der Lebensläufe belehrt ein Vermerk
man hat uns nichts versprochen also essen wir
unseren Laib Sprache solange wir verhungern
wird unsere Liebe die Welt nicht verlassen

 

 


spätaussiedel


und habe meine kinder meistbietend verkauft
den stand und das haus verschenkt hose und hemd
spende ich den armen potentaten meine häute
haben ein paar wunde löcher nichts was sich nicht
entsorgen ließe ich siedle spät aber sicher in gedichte
ruft mich nicht ich finde nicht mehr zurück will ich
aus dem fluss der in den siebzigern besungen wurde
und die dichter noch immer besingt ach hier ich schreib
euch von drüben es ist wie es ist hier stapeln fünf kälten
unter dem undichten dach wohnt mir eine bissige katze
frisst meine täglichen rationen hunger ich teile gern was
ich nicht hab und sag nimm nimm nur den rest auch
hinter den kahlen öfen krümmelt asche wir backen
daraus einen kuchen an dem die welt ersticken lernt
nimm nur den finger die hand die haare den kopf
meine worte nimm nur lass die chiffren schlafen
ganz andächtig in meinen armenkojen weck sie
nicht und es wird noch ein gedicht das aussiedelt
wenn es groß ist die fünf kälten beherrscht auch
die potentaten werden mit häuten zahlen oder fell
mein kätzchen beiß mich ins gedicht das ich wache
aus dem märchen bevor wir ganz zu knochen sind