Karla Reimert

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Die Sonnenschirme der Al-Azhar Moschee

 

Seit meinem letzten Besuch in Kairo hat man vor die Al Azhar Moschee drei neue Sonnenschirme gepflanzt. Ich sage gepflanzt, weil die Schirme ungeheuer organisch aussehen, ganz wie weiße Palmen. Das ist auch die Absicht, jemand hat versucht, die Natur nachzuahmen, bionisches Design, und es ist gut gelungen.

   Das Konstruktionsbüro, das für den Bau verantwortlich zeichnet, befindet sich in Süddeutschland, in der Nähe von Stuttgart. Sie haben diese Palmen auch in Mekka aufgebaut und in vielen arabischen Emiraten. Palmenschirme sind sozusagen der Verkaufsschlager schlechthin, wenn es um heilige Orte im mittleren Osten geht.

   Man muss nur auf einen Knopf drücken und mit Hilfe eines kunstvollen hydraulischen Systems öffnen sich schmale dunkle Streben und erblühen zu einem großen quadratischen Feld aus leuchtend weißem Stoff.

   Unter diesen Quadraten können viele Menschen sitzen und beten, wenn es in der Moschee oder der angegliederten Schule zu voll ist, und das ist es meistens, weil es in Kairo täglich zehntausend Menschen mehr gibt.

   Menschen, die alle Schatten haben wollen und einen Ort, an dem sie sich Gott und der

Schönheit des gesprochenen Wortes widmen können. Ohne dabei der mächtigen Sonne ausgesetzt zu sein, die alles hier ausbleicht, selbst die Gedanken und den Glauben.

   Vor langer Zeit standen hier vielleicht einmal echte Palmen, die echten Palmenschatten

gespendet haben. Palmenschatten, der hell und grün ist, und an den Rändern zart wie

Spinnweben. Die Menschen in Kairo, die damals noch nicht so viele waren, saßen unter ihnen, und sahen zu, wie die Datteln, die an langen Büscheln von den Palmen hingen, erst gelb, dann rot, dann schwarz wurden. Leider fallen von den neuen weißen Palmen keine Datteln. Datteln, wunderbare Datteln, gesprengt mit dem Wasser des Nils, und gedüngt mit Eselmist. Süßer als Schokolade und frischer als Wasser.