Ron Winkler

 

 

 

 


kleine maritime Poetik

Für Crauss

du kannst es nicht zählen, nicht fertig 
benennen, das Gedicht ist ein Sieb, 
in die Fremde gehalten, die Brandgänse 
über dir lassen sich damit nicht löschen. 
sie bleiben übrig, der Text bleibt dahinter 
zurück, verbreitet das Bild eines Menschen, 
der Steine aufliest als Bilder.

 

Gedicht an der Ostsee

auch die buckligsten Wellen sind keine Robbenköpfe, 
die Möwen nicht Boten, sondern Klatschweiber- 
als Jagdmarine, stets trächtig an einem gellenden Schrei, 
mit dem sie überflüssige Friedlichkeit aus der Szene wischen

jeder einzelne Pfahl eines Buhnenfadens ist ihren Füßen
Landeplatz also Tanzfeld und Klostergarten, je nachdem, 
wie hoch das Wasser schlagt, die Sonne steht, lies 
eine Sprache aus dem Flügelschlag, oder das Licht 
aus den Flossen eines noch feuchten Findlings

am Strand, diesem unbeständigen Futteral und Prellbock 
mit Seetangbrauen, in dem sich ganze Wracks verfangen, 
um Zündholz und Lichtschutz und Schnitzwerk zu werden, 
oder immerhin Abfall, flüchtige Schönheit für Dünen- 
füchse oder Amphibien, die sich glücklich damit 
in der Schnittstelle Salzwasser/Salzluft verkriechen -

ein jeder des anderen Staffage und Hintergrund, 
Erweiterungsbau, wie etwa die Kiefern 
Notwendigkeit sind verschiedener Rallenarten