Jasmin
Der Duft von blühendem Jasmin,
den kein Parfüm, kein Öl, kein Inzens fangen kann,
der eine zarte Wolke schwebend den Vorübergehenden
einhüllend einlullt,
und Hafenteer und Katzenpisse und Fischgeruch –
den ganzen penetranten Drecksgestank,
der über allen Strassen liegt,
aus den Kanälen zieht,
mit seiner Lieblichkeit
verdrängt.
So wie die Liebe, die
im Augenblicke, da sie sich erfüllt,
die Mühsal unseres Lebens für kurze Zeit
vergessen macht, die Welt mit Blumen füllt,
so schwört der blühende Jasmin
Eros herauf
und Zärtlichkeit und Sehnsucht
und Geilheit auch,
die Sinne uns vernebelnd,
und wer vorübergeht, der geht mit angegriffenen Sinnen.
Gedankenbahnen werden umgeleitet bis
der Hafenteer und Aasgestank
und Motoröl und Auspuffgase
die Übermacht gewinnen
über zarte Blüten,
und Ärgernis und Leid in unserem Leben,
die langen Zeiten füllen
zwischen kurzen Lieben.
Der Duft von blühendem Jasmin
von goldengelben, schneeweißhellen Blütenkelchen,
Duftzerstäuber, Bienensirenen, honigsüß geschminkten Nutten,
die sich prostituieren im Unschuldsgewand.
Feingliederig gespreizte Spalten, begattungsoffen
und anbiedernd wie läufige Hündinnen
im kurzen Rausch Erfüllung suchend.
Rausch der Schönheit vor
der faltenreichen Erschlaffung,
der die Fülle folgt, die Frucht.
Aphrodite wandelt sich in Hera,
Schönheit in Mutterschaft,
Frauen gleich,
wenn den kurzen Sommern ihrer Mädchenblüte
die feiste Zeit der Frau und Mutter folgt.
Reproduktion des Lebens, Kampf
und Lust und Sucht und Fall,
Auswahl und Vermehrung,
Vernichtung und Tod.
Blüten des Jasmin,
Diamanten an den Stauden des Lebens,
weibliche Form und Vollendung,
aufblühend und vergehend im Zeitenraffer,
Feuerwerken gleich.