HANS-KARL FISCHER

 


 

 
 

Diebstahl

Donau, du Füchsin, du alte
    Zigeunerin, alle haben dich
Dabei ertappt, wie du, gemeine
    Diebin, genommen hast
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Gib's her, sonst werden Bagger
    Dir den schmuddeligen,
Nachtsatten Bauch aufschneiden,
    Wo du vergraben hast
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Die Libelle, die den Kopf
    Ans Steißbein gedrückt hält,
Verrät dich: am Ufer
    Färbt sie sich noch wie
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Der Mohn, der jetzt wütend
    Zwischen den langwimprigen Ähren
Der Gerste hervorstarrt, hielt's
    Gerade noch in den Händen:
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Wie ein aufgescheuchtes Kitz
    Sucht sie, schaukelnd im
Altrosa Strampelhöschen
    Als Schwester der Lichtnelke
Das blaue Kleid
    Die Tochter des Landrats.
Es blieb der Flußseeschwalbe
    Vor Staunen die Luft weg;
Weit rutschte sie auf ihr aus,
    Als sie dich entwenden sah
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Die zitternden Finger der Espen
    Strecken dir Silbergeld hin,
Samtig blinkende Münzen,
    Als Angelhaken sollen sie heben
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Der kantige Riesentrosch,
    Der da knotzt, das Kraftwerk,
Wird's mit der Mückenlupe
    Auf deinem Grund finden,
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Geduldig waren wir schon wie
    Die Hochspannungsmasten, die
Eisernen Jungen, die
    Die Schnüre aufwickeln: Donau, gib's her
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Der Kirch- und der Siloturm
    Vom Dorf drüben, die haben's,
Sich über die Salweiden beugend,
    Gesehn: du nahmst
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Es liegt nicht versteckt
    Hinter den blühenden Ziegeln
Des Holunderbuschkirchleins:
    Durchnäßt worden ist's,
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Die toten Augen der Ruine
    Flimmerten auf am Hügel,
Als du, Raubrifterin, nahmst,
    Fast eh's der Mohn ihr entzog,
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Die Satteldächer des Hofs,
    Der abschließt droben den Hügel,
Spitzten die Ohren, als
    Deine Welle ihr's wegschleckte,
Das blaue Kleid
    Der Tochter des Landrats.
Auf der Bahre eines Kanals
    Wirst du bald weggetragen,
Wenn du nicht sofort
    Die Schande herausrückst:
Der Tochter des Landrats
    Blaues Kleid.