Moncef Wahaibi

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Dieses Fes ...


Zwischen ihren Fingern kreuz und quer verdichten sich Wege.
Welcher von ihnen führte einstmals nach Kairouan,
und welcher zur Morgenröte Timbuktus,
und welcher führte einstmals nach Cordoba?


Zwischen unseren Fingern verl_aufen sich Wege ...
Unwegsam und karg sind solche Wege!


Als ich Mulay ldris gegen Abend verließ,
wandte ich mich nicht,
als ich ein Rauschen hinter mir hörte,
ein Rauschen, langsam und träge ...
Auf den Fersen wird es mir bleiben
bis zur Moschee der Karawiyin ...


Worte werde ich weben,
meinen Träumen entsprechend
Worte, Gestalt annehmen sollen sie wieder,
aus ihrem Licht zwei Flügel sollen sie formen,
um schwerelos von dannen zu schwingen!


Ein Körper,
den befremdet und betreten im Traum wir betrachten,
in der unheimlichen Leere des Todes fremd betrachtet er uns
und wird uns
der letzten Qual überlassen!


Welcher Abgrund von Licht und Schatten
tut sich mir auf,
bevor vom Rand der Nacht herab
der Morgenstern steigt!?


Ich sagte mir: steige herab ... ohne Angst ...
soll dein Antlitz, das erste Antlitz, mich schauen.
Dort genau, am Tor der Gebetsstatt!
So durchlief ich an diesem Morgen die Stadt,
wie oft
umkreiste ich dein maghrebinisches Haus ...
Sie öffneten nicht!


Ein Sitzplatz
an einer Quelle, fließendes Wasser,
lebendiges,
und es neigen sich Trauben
aus Licht ...
dort, wo ich Stütze den Bäumen sein sollte,
dort, wo Farben in Steinen wohnen
und sich den Farben des Himmels vermählen ...
Der Sinun verfängt sich in der Decke der Kindheit ...
dort, wo eine schwache Hand
in Versuchung mich führen wird,
kreuz und quer
auf sich verdichtenden Wegen.
Dort, wo ich Worte meinen Träumen nach weben,
dem Leben zu seiner Gestalt verhelfen werde.
Ich werde dem Wasser,
jenem nachsichtigen Wasser,
das zu Sagende lassen.
Es soll den Zweigen,
die uns beiwuchsen, sagen,
ihre Verzweigung zu offenbaren.
Dort, wo sie an meinem Körper wachsen,
damit ich wahr werde!


Immer ist meine Furcht
fern in dir!
Doch die Glückseligkeit,
die uns einmal umfaßte,
die wir zwischen uns teilten ...
Jene Glückseligkeit
ist möglich in zwei gleichen Teilen
und bleibt immer möglich!


Wie oft wünschte ich mir, daß wir uns
aus Zufall begegneten!
Wie oft ersehnte ich ganz dein Antlitz
in den Zügen der Marokkanerinnen!
Ja wie oft bin ich deinem Schatten gefolgt
in diesem unendlichen Meer von Schatten!
Wie oft irrte ich mich!!


War es nun Fes oder Kairouan?
Fes oder Cordoba?
Fes, oder war Timbuktu jene Stadt,
die die Fäden in Händen hielte,
auch wenn sie leergefegt wäre.
Und so standen wir vor ihrem Tor
eines Sommers.
Wir entzifferten uns die uralten Steine
und suchten das Rätsel der Linien zu lösen.


NACHDICHTUNG VON CLEMENS KUHNERT
(Deutsche Erstveröffentlichung)