Die leber knotig und klein
Die hunde hatten sich vor den mauern von Knossos
versammelt. Sie kläfften den mond an, den die eroberer
auf ihrem schiff gehißt hatten. Zuvor hatten sie sich auf
königlichen betten gebalgt und an den hörnern der
stiere geleckt. Sie hatten nichts zu verlieren.
Wer weiß, wer sie waren, woher sie kamen, wie sie
ihren namen bekommen haben und warum gerade den?
Musa, Angel, Panajotis, Ivo. Sie trugen mäntel aus
derber Kriegerhaut und den trunkenen gott der thraker.
Sie trugen kerzen aus dem fett ihrer feinde und narben
- kreuz oder sichel -, an denen sie sich gegenseitig
erkannten.
Ivo trug obendrein ein bündel mit zwiebeln und brot.
Er trug die rakiflasche und die leber knotig und klein.
Wie einen buckel trug er seinen gott, der weit hinter
dem meer für ihn gestorben sein soll. Mit jedem satz
spie er seinen namen aus, obszöne silben, die von
einem bratspieß tropften.
Gott war ihm ein klumpen dreck, aus dem er flugs
dolch, tesching oder granatwerfer zog, wenn das
geschrei eines weibes, das unter ihm lag, sich zu tief in
seine ohren fraß und ihre bälger auf ihn zukrochen, als
wären sie von ihm. Der erstbeste war ihm dann recht,
um auf ihn einzuschlagen. Aber mordlust kam erst auf,
wenn die truppen der eroberer das flußtal auf- oder
abwärts durchgruben. Dann versammelten sich wieder
die hunde in den wäldern von Prnjavor, unter der
mauer des klosters Studenica, im garten des popen von
Pale und kläfften den mond an. Blut? Oder gar tod?
Das waren nur metaphern, die von Ivos kräftigen zähnen,
knoblauchhaltig und tabakgeschwärzt, zu krümeln
zerbissen waren. Später würden die enkel sie am wege
auflesen, die saite der gusla anreißen und das
zerbissene unter steinen vergraben. Sie würden es ehre
nennen.
Ivo hatte den letzten thraker an sein pferd gebunden
und zu tode geschleift. Mit zwei hieben hatte er den
türken tranchiert, den griechen im geschwätzigen gebet
erwürgt, den italiener vor einem bordell in Ulcinj mit
vier kugeln erlegt, den deutschen in die kalkgrube
gestürzt, als der auf der latrine hockte und ein
soldatenlied pfiff. Dann hatte er seinen bruder vor
dessen haus erhängt und gemeinsam mit der
schwägerin, ihren kindern, dem onkel Luka und seinen
beiden neffen ausgiebig den toten beweint.
Die pflicht war erfüllt, die lehr- und wanderjahre
konnte er an den nagel hängen. Ivo erfuhr, was dorf
heißt. Den unterschied von haus und hütte.
Tante Slavica brachte die verrückte Mara zu ihm und setzte
den hochzeitstag fest. Am abend davor hatte er Mara
hinter den fliederbusch gezerrt und sie mit seinen roten
händen geschält. Ihre kniekehlen, ihr schwach
eingekerbter nabel und die brüste in ihrer militärisch
straffen haltung - alles machte ihn wild. Zum erstenmal
biß er in ihre ausufernden schenkel, die seinen kopf im
würgegriff hielten. Der kampfschauplatz hatte sich
zwischen die beine verlagert.
Am tage darauf saß die braut auf der holzveranda und
trällerte vor sich hin. Die frauen hatten sich vor, neben,
hinter sie gehockt und stopften ihr süße zimtküchlein
in den erstaunten mund. Sie zupften das schwere kleid
aus druckkattun und tätschelten die wülste, die sich
darunter abhoben. Die männer waren vor dem
schafstall zusammengekommen. Ivos jüngerer Bruder
schenkte ein, bis sie betrunken waren. Von weither
hatten sie einen barden geholt - halbblind, wie es sich
gehört, der die taten des bräutigams bekrächzte. Drei
fette schlachthammel zerrten wie wild am strick, als
wollten sie mitfeiern.
Ivo hatte längst unbemerkt das dorf verlassen. Weg
von den beinen. Vom nächtlichen schweißgeruch der
verrückten Mara. Weg von den trüben blicken der
nachbarn, die ihren erinnerungen hinterherhechelten.
Das jagdgewehr enggeschultert, war er auf der suche
nach neuen feinden. Seit einer stunde lief ihm ein
struppiger köter nach. Aus büschen und hinter
felswänden hervor stießen andere tiere hinzu. Die
hunde hatten sich um Ivo geschart und kläfften den
mond an, ein blutüberströmtes kindergesicht, das schüchtern über
die bergkuppe stieg.