Arnd Wuillemet


 

Der Schremmler

Kriegsballade

 

1

Wir hatten den Tag über die Stellung gehalten. Bis weit hinein in die Dämmerung waren Schrapnells und Granaten über unsere Köpfe hinweg geflogen und weiter hinten detoniert Die Verstärkung war deswegen nicht durchgekommen. Die Sanitäter auch nicht. Viele von uns waren verletzt oder tot. Einige wurden noch versorgt. Die lagen zwischen den Säcken und wir mußten über die hinweg steigen. Es roch nach Schweiß und Kot. Andere wiederum hatten sich hingehockt und schliefen mit dem Kopf auf den Knien. Der Neue, Schremmler hieß er, kauerte am Boden und schrieb. Er schrieb einen Brief an seine Mutter. Als wir lachten, zerriß er ihn.

2

Das war das Gefährlichste. Die verfluchte Brücke. Das wimmelte da nur so von denen. Wir warteten bis es dunkel war, dann schlichen wir uns an. Es war kaum zu glauben. Die waren so mit den Mädchen beschäftigt, die haben gar nichts gemerkt. Die Gesichter hätte ich sehen wollen, als das Ding hochging. Bumm. Dann war alles vorbei. Das war aber noch ganz am Anfang.

3

Bis die durch waren dauerte das vier Stunden. Männer, Frauen, Kinder. Alle kahl geschoren. Die trugen sich krumm an schweren Koffern und Beuteln und stanken entsetzlich. Alle zehn Mann etwa ging einer mit Maschinenpistole und Hund. Auch hintendran kam eine bewaffnete Gruppe. Dann ein Panzerspähwagen und ein Jeep. Die paßten auf, daß keiner davonlief.

4

Bis zu diesem Zeitpunkt war es stets der Feind gewesen, dem der Krieg gegolten hatte. Jetzt waren es Kinder und Frauen. Zivilisten ohne Anspruch auf Konventionen.

5

Der Weg bog in einiger Entfernung links in ein Waldstück ab. Wir schlichen zu beiden Seiten die Böschung rauf und legten uns ins Gras. Dann verging viel Zeit. Keiner wagte zu atmen. Wir lauschten und drückten die Köpfe tief in den weichen Boden. Dann kamen die unter den Bäumen durch. Die schweren Kettenfahrzeuge fuhren ein, zwei Meter an uns vorbei. Der Boden vibrierte. Wir warteten noch lange, nachdem sie vorbei waren.

6

Die Leute von unserem Spähtrupp fanden wir in einem kleinen Wäldchen hinter dem Dorf. Sie hingen ganz oben in den Bäumen. Der Schremmler hat mit dem Kotzen nicht mehr aufgehört. Aber er war ja auch noch nicht so lange dabei. Wir haben sie runtergeschnitten und an Ort und Stelle begraben. Wir sind dann erst weiter, als es dunkel wurde.

 

7

Sie hatten ihn ins Lazarett geschickt, nachdem er in allen Himmelsrichtungen einen aussichtslosen Krieg verloren hatte. Und nachdem sie seinen zerfetzten Leib notdürftig bandagiert hatten, kommandierten sie ihn wieder ab. Er verlud waggonweise Menschen. Ihr Gepäck und das ganze Elend. Kolonnen sah er abmarschieren, gezählt und immer wieder durchgezählt. Die Lücken wurden beseitigt, auf Pferdewagen abtransportiert, gezählt, wieder aufgefüllt. Dann sah er sie abmarschieren. Exakte Legionen. In der Stille sah er sie schreien, bis das Tor sich hinter ihnen schloß. Bis der Wind sie über den Horizont blies, noch bevor das Tor abermals zugefallen war.

8

Wenn es jemals Gerechtigkeit auf dieser Welt gegeben hatte, dann war es dort. Wir stießen eines Abends auf die Guerilla-Einheit, hinter der wir schon seit Tagen her waren und die unseren Spätrupp abgeschlachtet hatte. Wir schossen die ab wie Kaninchen. Die kamen geduckt aus den Bäumen und rannten über das Feld. Wir warteten bis wir sicher waren, alle zu erwischen. Dann gaben wir alles, was wir hatten. Wie gesagt, wie Kaninchen oder Tontauben oder sonstwas.

9

Er sah, wie das Land verödete, wie es karg wurde und der Schrecken unsühnbar darüber lag. Es war sein Land und sein Schrecken, unteilbar und mit der ganzen Wucht. Es war nicht einfach, darüber hinwegzusehen, bewegt – von außen, bewogen – von innen.

10

Den ganzen Tag waren wir über staubige Landstraßen gelaufen. Das Land war überall trocken und öde. Wir hatten die Helme an die Gürtel geschnallt und die Jacken ausgezogen. Viele liefen mit nacktem Oberkörper und aufgekrempelten Hosen. In der Mittagshitze waren unsere Kräfte schnell aufgebraucht. Wir schlichen rüber zu der alten Fabrik, von der so gut wie nichts mehr stand. Ein paar Betonwände zwischen den Schuttbergen gaben gerade noch Schatten. Müde warfen wir uns auf den Boden. Schremmler war der erste, der das Geräusch hörte. Es ging dann alles ganz schnell. Wir griffen nach den Maschinenpistolen und drückten uns in die Nischen. Wir gingen planmäßig vor. Erst einer, dann das Zeichen. Dann vorsichtig einer nach dem anderen und so weiter. Dann sahen wir auch schon die Bewegung hinter dem zerfetzten Gerüst einer Fertigungsstraße. Wir kamen von vorn und von hinten. Gleichzeitig, wie sich das gehört. Das Mädchen verstand unsere Sprache nicht, aber es hatte erbärmliche Angst.

11

Die Organisation war wirklich nicht besonders. Sicher, sie wurden noch rechtzeitig evakuiert, aber dann hat man sie über freies Feld laufen lassen. Einige Hundert waren das. Die fielen der Reihe nach um. Das mit dem Abtransport der Leichen klappte dann besser

 

12

Das Mädchen klammerte sich an seiner Mutter fest. Die schützte es mit beiden Armen. So blieb keiner mehr für sie selbst. In dem Raum brannten etliche Glühbirnen. Die Menschen drängelten. Jeder versuchte, seinen Nachbarn nicht zu berühren. Sie schwitzten, stanken wie die Tiere und schämten sich ihrer Nacktheit.

13

Ihre Leichen wurden mit schweren Kettenfahrzeugen in große Gruben geschoben. Sie stürzten über den Rand zu Tausenden. Dann wurde Napalm entzündet. Als es kein Napalm mehr gab, nahm man Flugbenzin. Als es auch kein Flugbenzin mehr gab, ließ man es ganz.

14

Die Barrikade hatte nicht gehalten. Einige hatten das von Anfang an gesagt. Da aber keine Zeit zur weiteren Befestigung mehr geblieben war, mußte sie so bleiben wie sie war. Erstaunlich, daß die dann doch so lange noch gehalten hatte. Die meisten waren schon weg, als sie umbrach. Die, die noch geblieben waren, hatten keine Chance mehr. Nachher hat man sie auf einen Lastwagen vom Roten Kreuz geladen und weggebracht. Der Letzte, den man auflud, war der Schremmler. Der hatte sich zusammengerollt wie ein Kind.

15

Im Feldlazarett ging es eigentlich ganz locker zu. Die Gemeinen und die Offiziere teilten sich das Casino. Ein paar Mädchen gab es auch. Die Küche war gut, die Auswahl reichlich. Was aber furchtbar gestört hat, waren die vielen Ratten. Täglich haben wir Hunderte umgebracht, aber die wurden einfach nicht weniger. Das war wirklich zum Verzweifeln und wirklich richtig eklig.

16

Die Offiziere wurden zuerst erschossen. Sie standen alle in einer geraden Linie an der Mauer. Es regnete seit dem Morgen, und das Wasser stand in riesigen Pfützen im Hof. Überall lag fauliges Laub und glänzte. Die große Gruppe der Gemeinen wartete vor dem Gitter. Sie trugen alle POW-Uniformen, und die Kappen hielten sie vorm Bauch. Es war eine seltsame Stimmung in dem Hof, die Offiziere bewegten sich aber nicht. Die hielten die Augen offen. Die waren zu fünft. Vier Weiße und ein Schwarzer. Die sahen die Kugeln direkt kommen.

17

In einer Nacht gab es mal Fliegeralarm. Überall ging das Licht aus. Sogar das Radio wurde abgedreht. Wir saßen über eine Stunde einfach nur rum. Mit abgedeckten Stablampen arbeiteten die im Sanitätszelt weiter. Das hatte den diensthabenden Offizier zur Weißglut gebracht. Der ist da rein wie verrückt. Ob die den wollten, daß wir alle dabei draufgehen, hat der gebrüllt. Dann ist eine ganze Bomberstaffel über uns weg.

18

Als er wieder zu sich kam, lag er auf der Pritsche eines Lastwagens. Jemand hatte ihm die Uniform ausgezogen. Er fror. Es war Nacht. Ein schmales Morgenlicht kam über den Horizont. Der Krieg war vorbei.

 


Untertage

Ich mußte rüber zum Hauptstollen, um ihn abzuholen. Jahrelang hatten die nichts von sich hören lassen. Bis Gestern. Wir schicken ihnen jemand runter, der sich das mal ansieht. Hatten die gesagt. Das war alles. Und ich stand da und mußte damit fertig werden. Ich fuhr also rüber zum Hauptschacht. Das war ein verdammt langer Weg.

Im Laufe der Jahre war ich ziemlich weit gekommen. Das war mir aber gar nicht aufgefallen. Dann, als ich den ganzen Weg zurückfuhr, fiels mir auf. Die Beleuchtung war noch intakt. Wenn auch soviel Staub drauflag, d aß sie nur noch halb soviel Licht gab, wie vor Jahren. Aber das reichte.

Ich fuhr direkt zum Hauptschacht. Meine Hände zitterten und meine Augen auch. Das hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Vielleicht lag das an der kalten Luft, die immer kälter wurde, je näher ich kam. Einmal ging sogar ein Wind. Naja, eigentlich wars ja nur ein Luftzug. Lag wohl daran, daß die Seitenstollen hier größer waren, als die hinten bei mir. Vielleicht lief auch der eine oder andere im Kreis, so, daß die Luft durchzog. Zumindest wars ein eigenartiges Gefühl.

Am liebsten wär ich zurückgefahren. Hätte die angerufen und gesagt, daß es heute nicht geht. Wegen irgendeinem Problem mit dem Scheißantrieb der Lore oder so. Wir müssen das unbedingt verschieben. Tut mir leid. Wirklich. Wir telefonieren noch mal. Erst mal sehen.

Aber dafür wars dann irgendwann zu spät. Ich kam dann zum Hauptschacht. Da gings also nach oben. Komisch, ich hatte das ganz vergessen. Dann wartete ich am Aufzug. Noch war da gar nichts zu hören. Aber die mußten ja bald kommen. Hier zogs wirklich fürchterlich. Aber jetzt half da alles nichts mehr. Also wartete ich.

Dann kam der Aufzug. Ich hörte den schon, als der oben losging. Es dauerte eine Ewigkeit, bis der dann unten war. Einer stieg aus. Ich konnte ihn nicht richtig sehen. Dazu wars zu dunkel. Sein Gesicht hatte keine Augen, war nur eine dunkle Fläche. Ich konnte nichts erkennen.

Verdammt dunkel hier unten. Sagte der. Ist mir gar nicht aufgefallen. Sagte ich.

So, dann wollen wir mal sehen. Sagte er. Wir stiegen in das Ding und fuhren einwärts. Sie haben lange nichts von sich hören lassen. Sagte er. Wir hatten sie schon ganz vergessen.

Wir fuhren jetzt ziemlich schnell. Ich mußte verdammt aufpassen. Wie gehts ihnen hier unten. Fragte er. Prächtig, prächtig. Sagte ich. Wirklich alles in Ordnung. Fragte er. Ja. Sagte ich. Wir haben daran gedacht, sie ablösen zu lassen. Sagte er. Ja. Sagte ich. Ne lange Zeit waren sie hier unten. Kaum zu glauben, daß das einer aushält. Sagte er. Ja. Sagte ich.

Die anderen haben wir schon vor Jahren hier rausgeholt. Sagte er. Wegen dem Koller. War unvermeidlich. Die lange Zeit hier und so. Die sind fast verrückt geworden. Haben Dinge gesehen, die es gar nicht gab. War der Koller. Hatten wir seinerzeit nicht dran gedacht. Wirklich. Kaum zu glauben, daß es einer hier unten so lange aushält. Ist bei ihnen wirklich alles in Ordnung. Fragte er. Ja. Sagte ich.

 


Vielleicht war der ja so ein Betriebsarzt, und man hatte ihn runtergeschickt, wegen der Versicherung.

Sind sie so’n Betriebsarzt. Fragte ich. Nein. Sagte er. Ich komm direkt aus der Zentrale. Die wollten wissen, wies hier unten steht. Vielleicht lassen wir sie ablösen. Sagte er. Ich komm hier ganz gut zurecht. Sagte ich. Ja. Sagte er.

Dann sagte er eine Zeit lang nichts. Wir fuhren jetzt sehr schnell, und ich mußte verdammt aufpassen. Wir sind gleich da. Sagte ich. Ja. Sagte er. Sehen sie. Sagte ich. Was. Fragte er. Das Licht dort. Sagte ich. Wo. Fragte er. Dort. Sagte ich. Wo. Fragte er noch mal. Na, dort. Dort. Ich deutete hin, fuchtelte ihm mit beiden Händen vorm Gesicht rum. Sehen sie das denn nicht. Fragte ich. Doch. Sagte er. Ist wirklich alles in Ordnung. Fragte er. Aber ja. Sagte ich. Wir sind jetzt gleich da. Dauert nicht mehr lang. Gleich sind wir da. Sagte ich. Ja. Sagte er.

Dort drüben. Sagte ich. Dort, wo das Licht ist, da ist es. Gleich sind wir da. Sie werden schon sehen. Sagte ich. Wir fuhren jetzt verdammt schnell. Sehen sie das Licht. Fragte er. Aber ja. Ja, verdammtnochmal. Da ist es doch. Da vorn. Sehen sie nur. Sagte ich. Sein Gesicht war so dunkel, daß es nicht mehr zu sehen war. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen. Sagte ich. Verdammt, ich kann ihr Gesicht nicht sehen.

Beruhigen sie sich. Um Gottes willen, beruhigen sie sich. Wir sind ja gleich da. Sagte er. Sehen sie das Licht. Fragte er.

Ja. Sagte ich. Beruhigen sie sich. Beruhigen sie sich. Sagte er. Verdammt ich kann ihr Gesicht wirklich nicht sehen. Sagte ich. Aber sie sehen das Licht ja. Fragte er. Ja, dort. Dort ist es. Dort drüben. Sagte ich. Dann ists ja gut. Sagte er. Aber ja, verfluchtnochmal. Sagte ich. Beruhigen sie sich. Sagte er. Wir sind ja wirklich gleich da. Beruhigen sie sich.

 


Charleston

Metty hatte sich in den Wagen gesetzt und war raus gefahren. Vier Tage später hatte sie jemand von einem Strommast geschnitten. In den Zeitungen brachten sie ihr Bild. Der Chinese saß einen halben Tag lang vor der Titelseite und bewegte sich nicht. Danach blieb er noch ein oder zwei Jahre. Dann war er weg.

Nachdem Metty sich da draußen hin gehängt hatte, war es viel leichter. Rilke wurde noch wortkarger und beschäftigte sich nun ausschließlich mit sich selbst. Tagelang kam sie nicht in den „Moon-Up“. Vic trieb sich ein oder zwei Stunden vor ihrer Tür herum und hörte sie wimmern. Mahler strich den „Naked Night“ von der Karte und verkaufte nur noch Bier in Dosen. Und der Chinese saß hinten in seiner Ecke und kaute auf einer Bohnensuppe. Seine Schuhe waren weiß vom Lager-Kalk. Murrie war mit zwei oder drei Jungen davongefahren. Zusammen waren die auch über Dreißig.

Irgend jemand hatte den Bastard erschlagen und den Pfahl, auf dem „ Betreten verboten“ stand, daneben liegen lassen.

»Irgendwann hau ich hier ab. Zwei Grad Ende November. Der Sommer ist auch nicht das, was er mal war.«

Vic’s monotoner Singsang ging in dem Scharren unter, das der Wind zwischen den Lagerhallen hinterließ. Er pißte kräftig an die Tonnen.

»Weißt du was ?« Er schrie fast. »Während du Metty gevögelt hast, konntest du dich in ihren Augen spiegeln. He! Wußtest du das ?«

Metty starb monatelang. Ich wusch sie, während sie schlief, und putzte die nässende Wunde aus. Schartig und rot auf diesem weißen, unbeschreiblich weißen Körper. Ich fütterte sie stundenlang mit einem kleinen Becher Suppe. Ihre Lippen waren trocken und brüchig, und sie wachte nur auf, weil sie Schmerzen hatte.

Es war eine verfluchte Quälerei. Ab und zu, wenn das Fieber ein wenig nachgelassen und sie zu frieren begonnen hatte, legte ich mich zu ihr, um sie zu wärmen. Ich massierte ihr das Leben in den Körper.

Als Metty dann endgültig kalt wurde, trug ich sie den Hügel hinauf.

Vic und ich saßen auf den Tonnen und sahen zum Hügel rüber. In dem gelben Gras hockten fette Vögel und kreischten.

»Sie wollte immer den Chinesen,« sagte Vic. »Sie hat’s oft genug versucht. «

 


Metty spielte die alte Charleston-Platte ab und beobachtete den Chinesen, der sich über die getrockneten Pflaumen hermachte. Sie hatte sich den alten Fummel so heruntergezogen, daß sie an der Warze fingern konnte. Sie beobachtete während der ganzen Zeit mit halbgeschlossenen Augen die Trockenpflaumen. Und als sie dann begann, sich am Oberschenkel zu kratzen, waren die Pflaumen weg. Und der Chinese auch. Sie hatte sich dann die Platte wieder und wieder angehört. Bis Rilke sie so fand, ihr mehrmals ins Gesicht schlug und dann zu ihr stieg.

Ich hab mal ein Bild gesehen. In einem Prospekt. Da war Metty drauf. Ein französisches Mädchengesicht. Ich hab davon geträumt.

Ich hatte Metty was von dem grünen Likör gegeben. Er lief ihr aus den Mundwinkeln raus, den Hals runter. Das war da auf dem Hügel. Später hatte sie das Rilke erzählt. Die erzählte das Mahler. Der machte daraus dann den „Naked Night“. So war das.

Ich sah, wie das zähe Rinnsal an ihrem Bauch runterlief. Und dann in das Gras tropfte. Ganz langsam.

Wir hatten eine Party im „Moon-Up“. Murrie zog bald mit den Jungens ab. Wir tranken den „Naked Night“ zu Mettys Platte. Und Rilke fing an, zu tanzen. Sie warf zuerst ihre Schuhe auf die Theke. Das ging dann so bis zum Morgen. Dann holte sich der Chinese Kartoffeln aus der Küche und setzte sich wieder in seine Ecke. Metty beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, baute sich dann vor ihm auf und zog sich mit jeder einzelnen Kartoffel weiter aus. Für einen ihrer Schuhe reichten die Dinger dann nicht mehr. Irgendwann hatte sie der Chinese dann gepackt, raus zwischen die Hallen gezogen und beobachtet, wie sie sich den Kalk unter die Fingernägel kratzte.

Dann gab es eine Zeit, in der Rilke gar nicht mehr sprach. Sie wurde fahrig und blaß. Ihre Hände zitterten. Ihre Lippen waren zerrissen. Sie strich dauernd über ihre Schenkel. Das ging dann vorbei, als Mahler sie mit Likör vollpumpte.

Metty begann dann irgendwann aus den Büchern, die sie mal gelesen hatte, zu erzählen. Leichtes Augustwasser. Besonnte Segel. Irgend so ein Mist. Sie erzählte das oben auf dem Hügel. Zwischen den Kotspuren, die der Bastard hinterlassen hatte. Und dem welken Gras. Dann sprang sie auf, riß sich die Fetzen vom Leib, die Arme weit ausgestreckt über dem Kopf, und blieb solange dort oben stehen, bis die kalte Luft den Körper blau geblasen hatte.

Ich schleppte Metty aus dem „Moon-Up“. Sie nuschelte mir irgendwas ins Ohr oder steckte mir ihre Zunge in den Mund.

»Smmm Hsm.« Ich hatte ihre Brust gepackt und zog sie ein paar Treppen rauf. »Sdel dipla.« Pause. »Steldi pladan.« Am nächsten Morgen sah ich ihr von oben in die Augen. Das ging so bis Mittag.

Vic stellte sich auf eine der Tonnen und starrte weiterhin den Hügel an.

Mettys mutiges und barmherziges Opfer. Sie sah mich an, und ich wußte, sie hatte verstanden. Dann hob sie die Brust, drehte sich was, legte ihren Arm runter und schloß die Augen.

Sie wartete darauf. Ich wußte, daß sie wartete. Ich erwischte sie unter der zweiten oder dritten Rippe.

Metty öffnete die Augen. Die lachenden Augen. Im Kopf brennen diese zwei Punkte wie Sonnen. Haar und Lippen glänzten. Sie zog mich zu ihr runter, bog ihren Körper mir zu und wir drehten uns.

Der Chinese saß still in seiner Ecke und wartete auf das nächste Jahrtausend. Dann war er weg.